Im Zentrum des viermonatigen Ausstellungsprojektes stehen zwei großformatige Lichtskulpturen auf dem Gelände des ehemaligen Tempelhofer Flughafen, sowie über 20 Textarbeiten die auf Großplakatflächen in der gesamten Stadt präsentiert werden. Weitere vier Texte des Künstlers werden in einer in dieser Form einmaligen Kooperation mit ausgewählten Magazinen als ganzseitige künstlerische Interventionen anonym abgedruckt. Als Abschluss des Ausstellungsprojektes zeigt Neue Berliner Räume im September im Rahmen des 12. Internationalen Literaturfestivals Berlin und der ersten Berlin Art Week weitere Arbeiten Montgomerys in einer gesonderten Ausstellung im Stattbad Wedding. Im Oktober 2012 erscheint bei mono.kultur die erste umfassende Publikation über Montgomerys Arbeit.
Robert Montgomery arbeitet in einer post-situationistischen Tradition und rückt dabei das Medium der Sprache ins Zentrum seiner Arbeit. Er versteht seine Texte als den Versuch einer Bestandsaufnahme: Er wolle mitten im öffentlichen Raum das Gefühl unserer Zeit spiegeln, beschreiben, wie es sei, heute zu leben. Der Blick auf dieses Heute ist bei Montgomery immer geprägt von tiefer Skepsis gegenüber einer anscheinend blind fortschreitenden Moderne und zugleich dem Glauben an die Möglichkeiten jedes Einzelnen, sich dagegen aufzulehnen. Seine poetisch-melancholischen Arbeiten sind daher immer auch ein Bekenntnis. Sie agieren nicht über die so populär gewordene Ironisierung, die den eigenen Standpunkt gern verwischt. Montgomery bezieht Stellung und setzt einem kühlen, entfremdenden Zeitgeist deutlich umrissene Visionen entgegen: ALL OUR SPLENDID MONUMENTS / LIPSTICK TRACES ON A CIGARETTE / THE LIGHT COMES UP ON ONLY LAND / FOREST HERE ONCE / FOREST HERE AGAIN, heißt es entwaffnend klar in einer der beiden zentralen Arbeiten der Ausstellung auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof.
Montgomerys Werke beschreiben die offenen Wunden der über-kapitalistischen Moderne nicht nur als abstrakte, gesamtgesellschaftliche Phänomene, sondern auch als hochpersönliche Erzählungen. Und die Texte Montgomerys, wie sie inmitten der Stadt auftauchen, scheinen die magische Reflektion dieser Geschichten zu sein: Das Sichtbarmachen des Gedachten und Gesagten; das Nachspüren der Erinnerungen eines Ortes und seiner Menschen: THERE IS NO HISTORY HERE / WE SEE GHOSTS OF OURSELVES PASS BY ON THE SIDES OF BUSES / AND WE REMEMBER NOTHING, hieß es bereits im Mai in einer anonym gedruckten, ganzseitigen Arbeit in der aktuellen Ausgabe des Magazins Um[laut]. Montgomerys Arbeiten sind immer auch ein Teil eines stillen Dialogs, der darauf wartet von und mit uns fortgeführt zu werden. Nicht zu übersehende, geisterhafte Botschaften: große weiße Lettern auf schwarzen Werbetafeln und Rückseiten alter Anzeigetafeln – Medien, die sonst immer nur zu uns sprechen, nie aber mit uns.
Der Moment des Öffentlichen ist für Montgomery zentral; die Kraft, die sich aus der oftmals für den Betrachter überraschenden Konfrontation mit dem Werk entwickelt, steht im Fokus seines künstlerischen Projektes. Diese Idee wird mit den Interventionen in Magazinen auf die Spitze getrieben, die Montgomery eigens für die Ausstellung gestaltet hat. Montgomery überschreibt dabei eine Seite des jeweiligen Magazins mit einem seiner Texte und schafft damit einen Moment gezielter Störung. Die Arbeit wird stets ohne Nennung des Künstlers oder weiterführender Informationen abgedruckt und lässt den Leser bewusst mit einem Gefühl der Unklarheit zurück.
Die Stadt Berlin bildet einen direkten Bezugspunkt für die neuen Arbeiten Montgomerys. So sind beispielsweise die auf der Tempelhofer Freiheit gezeigten Texte ein direkter Verweis auf die wechselvolle Geschichte des Ortes: KZ-Lager in den 30er-Jahren, Militärflughafen im 2. Weltkrieg, die Berliner Luftbrücke in den späten 40ern und schlussendlich die Übergabe des Areals an die Berliner Bevölkerung vor wenigen Jahren. Montgomery versteht Berlin als einen Ort der Möglichkeiten, als einen Ort, dessen Ringen mit der eigenen Vergangenheit und Zukunft auch symbolisch verstanden werden darf. Der Wunsch, die bisher größte Präsentation seiner Arbeiten in Berlin zu zeigen, ist daher kein Zufall, sondern rührt von einer bewussten inhaltlichen Entscheidung her. Denn viele Fragen, die sich in besonderer Deutlichkeit in Berlin stellen, sind unterfüttert von jener vermeintlich simplen Frage, die auch Montgomery immer wieder umtreibt: Wie kann es weitergehen?